Gemeinderatsfraktion Freie Wähler – Dr. Annette Silberhorn-Hemminger Redebeitrag GR 19.12.2022, Top 4
Anpassung Modernisierung Stadtbücherei
Es gilt das gesprochene Wort.
19. Dezember 2022
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Herren Bürgermeister,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
gestern vor 4 ½ Jahren am 18. Juni 2018, beschloss der Gemeinderat die Erweiterung der Stadtbücherei. Die Mehrheit entschied sich für den Standort Küferstraße/Kupfergasse. Einen Tag nach der Entscheidung, heute vor 4 ½ Jahren, startete eine Bürgerinitiative für die Modernisierung des Bebenhäuser Pfleghofs. Der weitere Verlauf ist bekannt.
Viele von uns, die wir heute versammelt sind, können den weiterer Gang der Geschichte erzählen. Und die „offizielle“ Version – gibt es diese überhaupt? – durch persönliche Erfahrungen anreichern. Große Erwartungen wurden platziert, mit großen Versprechungen zur Finanzierung untermauert, die so nicht vorhanden waren. Die Bücherei wurde wie kaum eine andere Einrichtung in der Stadt Esslingen zu einem Politikum, zu einer Projektionsfläche von unterschiedlichen Befindlichkeiten.
Keine Frage: die Bücherei ist eine wichtige und besonderer Kulturinstitution, Bildungs- und Sozialeinrichtung in unserer Stadt. Zumal eine hochbeliebte und sehr wertgeschätzte. Für deren Weiterentwicklung und Modernisierung sich viele einsetzen. Jedoch gab es ab einem bestimmten Zeitpunkt bei diesem Politikum nur noch Freund – oder Feind. Wohlwollende, und trotzdem mit einem nüchternen und kritischen Blick versehene Zeitgenossen wurden lehrbuchmäßig abgekanzelt und professionell dem Feind-Lager zu-geschrieben.
Ich denke oft an den 18. Juni 2018 zurück. Bei der damaligen Abstimmung über den Standort ging es um jede Stimme. Ich setzte Prioritäten, verpasste an dem Tag meine Vorlesung in München bei Prof. Nida-Rümelin zum Thema „Logik kollektiver Entscheidungen“ und saß hier im Gemeinderat. Die Vorlesung zur Theorie verpasste ich, über die Praxis – die vordergründigen und die hintergründigen – staune ich seit Jahren…
Heute, 4 ½ Jahre später, besteht nun die Herausforderung darin,
mit einem reduzierten Finanzrahmen und äußerst fragilen Finanzaussichten trotzdem eine Bücherei der Zukunft zu gestalten
die unbestritten notwendigen Maßnahmen umzusetzen und dabei nicht nur den erforderlichen Standard z.B. beim Brandschutz zu erreichen und zu sanieren. Die 17 Mio. Euro Invest müssen sichtbar und erlebbar sein.
Dem hoch engagierten und kreativen Team der Stadtbücherei eine gute Zukunftsperspektive zu bieten, in dem sie sich mit ihren Projekten und besonderen Ideen für die großen und kleinen Besucherinnen und Besucher einen attraktiven und bereichernden Ort zum Lesen, Schmökern, Recherchieren, Lernen und einfach-da-sein bieten können.
Und dies bei einem äußerst engen Finanzrahmen und weiteren, großen Aufgaben, der sich die Stadt stellen muss. Ja, die anstehenden, vielfältigen Aufgaben stehen auch in Konkurrenz zueinander.
Wer in den vergangenen Wochen die diversen Mailwellen miterlebt hat, die sich zu den verschiedenen Themen über uns Gemeinderäte ergossen haben, der weiß, in welcher Konkurrenz all die Themen stehen.
Prioritäten werden zu setzen sein. Alle Betonung der Wichtigkeit des Themas, für das man selbst aus gutem Grund brennt und dass man als Prio 1 erachtet, wird uns als Gesellschaft nicht davon entbinden, über die städtische Prioritätenliste zu ringen und auszuhandeln, in welchem Umfang welche Aufgabe angegangen werden kann – ja, und leider wird der schnöde Mammon dabei ab und an der Spielverderber sein.
Bevor ich auf die Bewertung der Vorlage eingehen möchte ich mich im Namen der Freien Wähler bei den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der SGE und der Stadtbücherei bedanken, die in den vergangenen Monaten intensiv an der nun vorliegenden Konzeption zur Sanierung und Weiterentwicklung gearbeitet haben. Eigentlich arbeiten die Teams seit Jahren an er Fortentwicklung…
Ein spezieller Dank zudem an die Bücherei-Leitung , Frau Fuchs und ihremTeam, und an Frau Heyder für den fachlichen Blick hinter die Kulissen der Stadtbücherei und den Einblick in den Bücherei-Alltag bei unserem Vorort-Termin.
Mit dem nun vorliegenden Paket an Maßnahmen geht es endlich mit der Sanierung und Modernisierung der Stadtbücherei los. Ja, das heißt gleichzeitig auch Abschied nehmen von dem großen Projekt, von dem großen Traum einer neuen, weiträumigeren Bücherei am Standort in der Heugasse und Webergasse. Uns Freien Wählern ist es wichtig, endlich anzufangen und die viele Jahre aufgeschobenen Sanierungsmaßnahmen nun zügig anzugehen. Maßnahmen, die man durch das jahrelange Projektieren immer wieder auf die lange Bank geschoben hat, denn es sollte ja die ganz große Lösung kommen…
Und weitere bauliche Maßnahmen umzusetzen, damit die Bücherei gut aufgestellt in die Zukunft gehen kann.
Der Vorlage der Verwaltung stimmen die Freien Wähler zu. Dazu noch einige Anmerkungen:
Die 3 Maßnahmenpakte beinhalten für uns Freie Wähler viele Verbesserungen für die Bücherei und ihre Nutzerinnen und Nutzer. Die 17 Mio. Euro wären sonst falsch angelegt.
Der finanzielle Rahmen, der zur Umsetzung erforderlich ist, erscheint uns verlässlich zu sein. Zur Verlässlichkeit und Ehrlichkeit gehört für uns Freie Wähler in diesen finanziell fragilen Zeiten auch der Hinweis „Unter Vorbehalt von … Beschlüssen im Rahmen des jeweiligen Wirtschaftsplans der SGE“. Wir wollen keine Luftschlösser bauen, sondern real in die Umsetzung kommen, mit den Mitteln und Ressourcen, die uns in den kommenden Jahren zur Verfügung stehen werden.
Das ist nicht Team „Hintertürchen offen halten“, das ist Team „Realpolitik“.
Verlässlichkeit ist uns wichtig. Darum freuen wir uns, dass unsere Anregung unter Antragspunkt 6 das „Gesamtprojekt in der mittelfristigen Finanzplanung abgebildet wird“ als separater Punkt aufgenommen wird. Die Stadtbücherei hat damit den Fuß in der Tür zur Finanzierung. Es wird so konkret, wie es noch nie in den vergangenen 20 Jahren war.
Wir Freien Wähler erachten den Zeitplan von 2023 – 2029 für einen Umbau im Bestand für Mitarbeiter und Nutzer als einen langen Zeitraum an. Wir würden es begrüßen, wenn sich durch die konkrete Projektplanung eine konzentriertere Sanierung- und Umbauablauf ergeben könnte. Eventuell mit Schließtagen, die sich durch die Erfahrungen der Corona-Pandemie und den damals entwickelten Ideen überbrücken lassen.
Über die finale Ausgestaltung der einzelnen Bausteine wird man in der Projektplanung nochmals reden müssen. Exemplarisch dazu einige Punkte, die wir aus unserem Vorort-termin mitbringen:
Welchen Aufzug braucht es an welcher Stelle in der Bücherei? Wir regen an, auf den Aufzug vom EG durch den Lichtschacht ins 1.OG im Bereich der Familienbibliothek zu verzichte, damit die Fläche der neuen Familienbibliothek nicht von einem Aufzug zerschnitten wird. Zudem gibt es bereits einen Aufzug vom EG ins OG.
Anstelle dessen bietet sich an, den kleinen Lastenaufzug im jetzigen Foyer zum Café für Rollstuhlfahrer zu ertüchtigen, um den Zugang zur dann neu gestalteten Fläche im Foyer zu ermöglichen.
Den geplanten direkten Hauptzugang über die Webergasse – ohne Schlenker Eingang Kutschersaal – zeitnah umzusetzen und so den neuen, barrierefreien und gut sichtbaren Zugang dort schaffen.
Den Umzug der Familienbibliothek ins OG zu forcieren. Gelder zur punktuellen Umgestaltung der Familienbibliothek im EG damit einzusparen und schnell in die Umsetzung im OG einzusteigen.
Die Entscheidung zur Heugasse 11 von Seiten der Verwaltung vorzubereiten und im Frühjahr / Frühsommer 2023 herbeizuführen, unterstützen wir. Wir erwarten eine ergebnisoffene Darstellung der möglichen Optionen. Warum ergebnisoffen?
Ja, die Heugasse 11 stellt aktuell die einzige Erweiterungsfläche für die Stadtbücherei dar.
Eine Nutzung der Heugasse 11 als Verwaltungstrakt der Bücherei erfordert aktuelle eine Nutzungsänderung, die ein entsprechendes Baugenehmigungsverfahren auslöst. Mit den entsprechend aufwendigen Maßnahmen z.B für den Brandschutz.
Warum wir Freien Wähler dies heute so betonen? Weil die pauschale Forderung des Vorhaltens der Heugasse 11 bis 2029 bzw. eine noch zu findende Zwischenlösung wie im SPD Antrag in der Konkretion deutlich weniger trivial sich darstellen wird, als sich dies heute anhört.
Lassen Sie uns die Zeit nehmen, geben wir der Verwaltung den Auftrag, Optionen für die Heugasse 11 aufzuzeigen und dann lassen Sie uns entscheiden.
Ein Ja mit stolzgeschwellter Brust und mit einem ungedeckten Blanko-Scheck in der Hand, damit lassen sich keine Handwerker bezahlen.
Ausblick
Wir Freien Wähler freuen uns, dass heute der Startschuss für die Modernisierung der Bücherei fällt. Zur Verwirklichung der Modernisierung wird auch weiterhin eine gesamtstädtische, zurückhaltende Ausgabenpolitik notwendig sein. Denn nur so besteht die Chance, die Aufgaben mit hoher Priorität – von denen es viele in der Stadt gibt – solide finanzieren und verwirklichen zu können.